
Aus Stadt und Kreis von
CAROLINE HOLOWIECKI
Schicksal / Nach einem schweren Motorradunfall ist der Bietigheimer Michael Resch gehandicapt
Mitte September gewann der 42-Jährige die Deutsche Meisterschaft für Golfer mit Behinderungen
Michael Resch hat zwei Geburtstage. Seinen normalen und den 8. Juni. An diesem Tag überlebte er einen schrecklichen Motorradunfall. Geblieben sind ihm davon eine Gehbehinderung sowie chronische Schmerzen. Den Lebensmut konnte ihm das aber nicht nehmen.
Bietigheim-Bissingen Eine Goldmedaille liegt auf der Kaffeetafel im großen Garten im Bietigheimer Stadtteil Buch. Angeknüpft ist sie an ein Band in den deutschen Nationalfarben. „Leider ist sie nicht aus echtem Gold“, sagt ihr Besitzer Michael Resch lachend. Richtig, der materielle Wert dieser funkelnden Scheibe ist nicht hoch. Der ideelle Wert jedoch ist unbezahlbar. Diese Medaille erzählt eine Geschichte.
Diese Geschichte beginnt so: Am 8. Juni 2000 befindet sich Michael Resch wie so häufig auf einer Motorradtour in den Löwensteiner Bergen. Dann der Unfall: „Ich bin aus der Kurve rausgeflogen, durch die Leitplanke gekracht, 30 bis 40 Meter einen Abhang hinuntergefallen und dort bewusstlos liegen geblieben.“ Mit dem Helikopter kommt der Verletzte ins Katharinenhospital nach Stuttgart. Die Diagnose: fünfter bis siebter Brustwirbel gebrochen, offenes Schädelhirntrauma, acht Rippen kaputt plus mehrere schwere Beinverletzungen. „Übermut tut selten gut“, sagt Resch mit einem schwachen Lächeln. Dann fügt er hinzu: „Ich habe mir alles gebrochen, was man sich brechen konnte. Nur die Arme blieben heil.“ Mehrere Wochen liegt der Patient im künstlichen Koma, muss beatmet werden. Richtig zu sich kommt Resch erst wieder in der Orthopädischen Klinik Markgröningen. Dort wird er entsprechend der Diagnose behandelt: kompletter Querschnitt, Lähmung. Ein Wort, das dem heute 42-Jährigen jedoch niemals in den Sinn gekommen ist: „Ich habe nicht eine Sekunde gedacht, dass meine Beinen mich nicht mehr tragen werden.“
Therapie-Marathon
Und tatsächlich: Die Diagnose Querschnittslähmung stellt sich als falsch heraus. Resch erklärt: „Ich habe mir den Rücken gebrochen, doch die Nerven wurden nicht ganz durchtrennt, sondern die meisten nur gequetscht.“ Was folgt, ist ein Therapie-Marathon: neurologische und physiotherapeutische Übungen, immer und immer wieder. „Es war unheimlich mühsam. Aber man entwickelt einen Galgenhumor, man kann es ja nicht ändern“, so der Bietigheimer. Die ersten vier Monate lang ist Resch auf den Rollstuhl angewiesen – nichts, was ihn davon abhält, am Leben teilzunehmen: „Ein Freund hat mich durch den Pferdemarkt geschoben. Ich war mir immer sicher, dass das nicht endgültig ist.“
Trotzdem: Michael Resch ist heute zu 90 Prozent unbefristet und außergewöhnlich gehbehindert, wie es im Fachjargon heißt. Bis heute hat er eine Spastik im rechten Bein. Das bedeutet, dass ihm die dortigen Nerven nicht mehr richtig gehorchen, das Bein oft krampft oder unkontrolliert zuckt und er große Anstrengungen vollbringen muss, um Bewegungsabläufe korrekt durchzuführen. Hinzu kommen chronische Schmerzen in den Knien und im Rücken.
Handicap 6,4
Aber er läuft. Er arbeitet. Er fährt Auto. Er radelt. Und er spielt Golf, wie vor 20 Jahren schon, als er diesen Sport für sich entdeckt hat. Resch ist Mitglied im GC Neckartal, hat ein Handicap von 6,4. Mitte September trat er bei der Deutschen Meisterschaft für Golfer mit Behinderungen in Bad Füssing an. Und hier kommt wieder die Goldmedaille ins Spiel. Damit wurde Resch als bester Spieler des Amateurturniers und Deutscher Meister ausgezeichnet.
Dieser Mann ist Sportler durch und durch. „Vor meinem Unfall war ich 110 Prozent fit“, sagt er. Wer weiß, vielleicht hat ihm diese physisch optimale Verfassung das Leben gerettet. Die Begeisterung für die körperliche Ertüchtigung ist bis heute ungetrübt. Nur mit dem Motorradfahren hat er gebrochen. Nicht, weil er es nicht mehr könnte, sondern weil er das Interesse daran verloren hat.
Was wäre gewesen, wenn er in dieser einen Kurve nicht zu schnell gefahren wäre – solche Fragen stellt sich Michael Resch nicht. Er lebt im Hier und Jetzt. „Ich nehme alles viel leichter und bin viel ruhiger geworden. Stress lasse ich nicht an mich ran. Man lebt viel bewusster und nimmt andere Dinge wahr“, sagt er. Für den Behindertensport wünscht sich der Golfer eine größere Lobby, „da ist gar nicht los“, wobei er auf so gutem Niveau spielt, dass er es leicht mit gesunden Sportlern aufnehmen kann. Der Bietigheimer sagt: „Ich fühle mich nicht behindert. Ich lasse den Kopf nicht hängen, sondern mache das Beste daraus. Die Flucht nach vorne ist immer die beste.“
Quelle
Verlag : Bietigheimer Zeitung
Publikation : Bietigheimer Zeitung
Ausgabe : Nr.231
Datum : Samstag, den 06. Oktober 2007
Seite : Nr.9
“Deep-Link”-Referenznummer : ‘4326372’